25.05.2025, 02:32 PM
Am Abend setzt sich Alexandros noch einmal hin und lässt die Erlebnisse der letzten Tage Revue passieren. Diese Reise war wirklich einschneidend. Doch hat es ihn einen weiteren Schritt zu einem großen Vorhaben gebracht: die Beseitigung des Mahlstroms. Doch diese prägenden Ereignisse will er niederschreiben. An dem Ort, an dem sein Leben und das seiner Familie schon seit Generationen festgehalten wird. So schlägt er seine Familienchronik auf und beginnt in seiner Muttersprache zu schreiben.
Die Gilde der Kartographen hat einen neuen Auftrag ausgeschrieben. Es ging darum, endlich den Ritualplatz für das Magnum Opus zu finden. Es war ausgeschlossen, dass ich diesen Auftrag verstreichen lasse. Auch wenn er scheinbar mit einem großen Risiko verbunden war. Durch unbekannte Substanzen sollten wir im Zuge eines Pang'aan-Rituals den Weg zum Ritualort finden. Der Ort, an dem mit Hilfe der Talismane der See der Mahlstrom versiegen soll. Ich dachte zu Anfang, dass ich auf diese mentale Reise gut vorbereitet bin, weil ich diesen... Ort bereits betreten hatte. Doch sollte ich mich irren. Es war eine Welt, die ihresgleichen sucht. Allein wollte ich diese Reise keinesfalls beschreiten. Deswegen setzte ich mit Elicia, Kali und Liam Segel Richtung Cimanca, der Pirateninsel.
Bis auf ein paar störende Nager verlief die Fahrt relativ ereignislos. Ein paar starke Winde und wir haben sogar an einem Tag zwei Delfine gesehen. Doch nichts, was sich von einer normalen Schiffsfahrt auf den Westwind-Inseln unterscheiden würde. Unter der wärmenden Vormittagssonne setzten wir vor der Küste Cimancas unseren Anker und betraten die miefende und wilde, aber auch spannende Piratenstadt. Nach einem kurzen Spaziergang durch die Stadt gingen wir eilig in die Burgruine der Insel, die auch zeitgleich als Sitz der Piratenkönigin diente, Kimari. Als Anführerin des hiesigen Pang'aan-Stammes war sie unsere Ansprechperson, um das Ritual durchzuführen. Uns wurde noch einmal das Ziel deutlich gemacht und nahegelegt, nicht ohne vollen Magen diese Reise anzutreten. Ein guter Ratschlag. Eine ältere Pang'aan-Dame mit weißem Stoffband führte uns in eine kleine Hütte in der Stadt. Sie sollte uns durch das Ritual begleiten und war wohl geübt in der Dosierung der Substanz, welche sich Doriamuanim nennt. Der Name der Substanz sollte jedoch nie in Gegenwart der Pang'aan genannt werden. Vielleicht, weil es ein Teil ihrer Sprache ist? Ich kann es mir noch nicht ganz erschließen.
Ein jeder von uns legte sich in ein Bett, nachdem wir noch einmal etwas Wasser und Brot zu uns nahmen. Die Dame gab uns jeweils einen Schluck der unappetitlich anmutenden Substanz. Ehe ich mich versah, bin ich komplett weggetreten gewesen. Ich fand mich an einem vertrauten Ort wieder. Ein nostrischer Tempel der Efrevik. Ich erkannte es an der massiven Statue der Patronin selbst. Als ich mich umsah, ertönte eine gewaltige Stimme. Die Göttermutter sprach zu mir, und ich senkte umgehend mein Haupt. War sie es wirklich, oder spielten meine Sinne mir durch die Substanz einen Streich? Doch die Gefahr, dass es sich wirklich um die große Göttin handelte, war zu groß. Deswegen zögerte ich nicht. Es war... ein durchaus schwieriges Gespräch. Efrevik warf mir vor, mich von meinem Glauben, meiner Heimat, allem, was mich früher ausmachte, entfernt zu haben. Dass ich davon weggerannt bin und meine Kultur verraten hätte. Meine Huldigungen durch meine Taten und Werke seien nichts wert, und die Götter sähen darin rein gar nichts. Habe ich wirklich meinen Glauben so verraten? Ich bin offen gegenüber neuen Kulturen und Glaubensrichtungen. Doch zeigt uns doch das Pantheon, dass die Welt viele verschiedene Aspekte zeigt. Ein Faden, der im Nichts endete, bildete sich um mein Handgelenk. Die angeblichen Fesseln meines alten Glaubens, die mich zurückhalten. Ich könnte mich von diesen Fesseln lösen, doch hält mich mein Glaube tatsächlich zurück? Die verschiedenen Gedanken schossen mir durch den Kopf, ich schwankte hin und her. Doch am Ende war meine Entscheidung klar.
![[Bild: M4Yd0kN.png]](https://i.imgur.com/M4Yd0kN.png)
Später berichteten mir auch die anderen drei von ihren Erlebnissen. So wie ich wurden sie auch mit sich selbst konfrontiert. Kali und Liam sind in der Kirche von Neu Corethon aufgewacht. Vorne am Altar stand wohl die Ordensschwester Petronilla, doch war sie nicht so nett und freundlich, wie wir sie eigentlich immer kannten. Sie konfrontierte beide mit dem Glauben und was er ihnen je persönlich gebracht hat. Sie schrie und brüllte die beiden an. Kali wurde mit ihren eigenen Glaubensansichten konfrontiert, doch versuchte sie, Widerstand zu leisten. Ihre Ansichten zu erklären. Auch Liam fuhr die Ordensschwester an, dass er wackelig in seinem Glauben ist und es nicht schafft, eine wirkliche Heimat für seine Glaubenssätze zu finden. Ein Streit und eine Diskussion brach zwischen ihnen aus, der darin mündete, dass beide jeweils einen Stab in der Hand hielten. Eine Manifestation ihres Glaubens, wenn man der wütenden, alten Dame glauben sollte. Ähnlich wie bei mir mussten die beiden eine Entscheidung treffen.
![[Bild: CdfyNBJ.png]](https://i.imgur.com/CdfyNBJ.png)
Und so geschah es laut Elicia auch bei ihr. Sie fand sich in der Kirche auf Curuba wieder. Immer wenn wir die Insel besuchen, stattet Elicia auch dieser Kirche einen Besuch ab. Am Ende ist sie ja auch Anhängerin der sorridianischen und nicht silvanischen Kirche. Sie erzählte, dass dort ein Messdiener am Altar stand. Wie schon bei den anderen drei zuvor wurde auch sie mit ihrem Glauben konfrontiert. Was sie in ihrer Vergangenheit im Zusammenhang mit diesem getan hat und was sie heute tut... oder eben nicht tut. Ich mag mir nicht vorstellen, welcher Konflikt in ihr herrscht. Sie versuchte sich zu rechtfertigen und zu erklären, doch blieb auch der Messdiener in seiner Meinung eisern, so wie die Ordensschwester oder die große Efrevik auch. Am Ende dieses Gesprächs erhielt auch Elicia einen Ast, der eine Entscheidung von ihr abverlangte...
![[Bild: V3NnZ8r.png]](https://i.imgur.com/V3NnZ8r.png)
Nach einem Augenblick der Stille änderte sich bei uns allen die Szenerie. Wind peitschte um unsere Ohren, und wir waren wieder beieinander. Aber wo? Wir fanden uns auf einem Schiff mit einem großen Ledersack darüber wieder. Am Steuer stand ein Mann in Ledermontur, der wild herumschrie. Offenbar waren wir auf einem Luftschiff. Ich hörte mal, dass Tasperin vor langer Zeit solche Gefährte betrieben haben soll, doch habe ich selbst noch nie so etwas gesehen. Wenn solche Menschen dafür verantwortlich waren, verstehe ich, wieso sie nirgends auf der Welt mehr existieren. Offenbar waren wir auf dem Weg in den sicheren Tod. Der Kapitän steuerte in Richtung eines unbekannten Monsters, das er mit einer Bombe am Rumpf des Schiffes erledigen wollte. Reiner Selbstmord... doch schien er sich von diesem Vorhaben nicht abhalten zu lassen. Wir versuchten, eine Möglichkeit der Flucht zu suchen, doch waren wir weit, weit hoch im Himmel. Elicia kam dann der Einfall, dass wir die Seile zu dem Ledersack lösen könnten, um so Stück für Stück Höhe zu verlieren. Ohne mehr Zeit zu verlieren, löste ich daraufhin dementsprechend das erste Seil, um dadurch die nächste prägnante Erfahrung für uns zu finden.
Mit einem immensen Satz schleuderte es uns alle von Bord des Schiffes, und wir segelten ungebremst Richtung Boden. Verzweifelt versuchte ich, meine neuesten Kenntnisse zu nutzen, doch realisierte ich schnell, dass sie mir hier nicht helfen würden. Immer schneller beschleunigten wir Richtung Boden. Für einen unangenehm langen Augenblick dachte ich, dass es das nun gewesen ist. Wir werden hier sterben. Ich schloss die Augen, um das Unvermeidliche nicht auch noch ansehen zu müssen. Als ich sie wieder geöffnet habe, fand ich mich jedoch an einem völlig neuen Ort wieder.
Statt im freien Fall zu sein, waren wir alle plötzlich in einer uralten Tempelanlage. Ein großer Teich mit Feuerstellen wurde von zwei großen Statuen und zahlreichen, trockenen Aquädukten umringt. Hier schien schon lange Zeit kein Mensch mehr gewesen zu sein. War das vielleicht der Ritualort? Leider war er es nicht. Nur eine weitere Prüfung... Nachdem wir die Anlage erfolglos nach Hinweisen absuchten, fiel uns auf, dass etwas mit Kali war. Sie starrte ruhig in das Wasser und bewegte sich nicht mehr. Auch als wir an ihr rüttelten und ihren Namen riefen, kam keine Reaktion von ihr. Erst nach einigen Minuten kam sie wieder wild schreiend zu sich. Offenbar hatte sie durch das Wasser eine Vision, sie war an einem ganz anderen Ort. Sie sah ein Ureinwohnervolk, das sie in der Vision besuchte. Sie ging mit ihnen und hoffte, von ihnen zu lernen. Doch endete die Vision tragisch damit, dass sie bei lebendigem Leib aufgespießt worden ist. Ich will mir das gar nicht erst vorstellen. Wir versuchten, sie zu beruhigen, und ehe wir etwas tun konnten, ertönte eine donnernde Stimme von den massiven Statuen.
Gäste in der Fremde.
Akzeptiert.
Akzeptiert das Fremde.
Gebt eure Seele im Wasser frei.
Akzeptiert das Fremde.
Akzeptiert.
Auch wenn es uns nicht gefiel, wussten wir den nötigen nächsten Schritt. Wir mussten auch in das Wasser blicken und uns dem hingeben. Doch... war ich darauf nicht vorbereitet. Das Wasser hat uns mit unseren tiefsten Ängsten konfrontiert. Jedoch hätte ich es mir niemals so vorstellen können. Es wirkte wie ein ganzes Leben, das ich durchlebte. Ein Leben, das mich ohne jeglichen Willen zurückließ. Am Ende... war ich lediglich ein Schatten meiner selbst. Noch heute denke ich darüber nach. Ich habe zwar wieder eine kleine Glut an Hoffnung erhalten, doch hinterlässt diese ihre Spur. Mit dem, was ich bereits alles hinter mir habe, bringt es mich immer wieder zum Nachdenken und Zweifeln. Ich hoffe, dass es niemals dazu kommt. Und ich bete, dass die Ängste der anderen niemals Realität werden, mit denen sie zeitgleich konfrontiert wurden. Doch liegt es auch in unserer Hand, etwas dagegen zu tun.
Nachdem wir akzeptierten, ging unsere Reise schlussendlich weiter.
![[Bild: jFbyT9H.png]](https://i.imgur.com/jFbyT9H.png)
Jetzt tauchten wir vor einer zugewachsenen Höhle auf, in der wir eine imposante Steintreppe vorfanden. Stück für Stück kämpften wir uns die Treppe hoch, um auf einer hohen Bergklippe herauszukommen, unter der sich ein dichter Wald erstreckte. Vor uns führte eine lange, wackelige Hängebrücke zu einem monumentalen, verzierten Turm. Ein wirklich atemberaubender Anblick, doch fiel uns etwas ganz anderes zuerst ins Auge. Direkt neben dem Höhlenausgang flog ein kleiner Affe auf einer güldenen, schwebenden Wolke. Und dazu kam auch noch, dass er plötzlich zu uns sprach. Ein wirklich ungewöhnlicher, aber erstaunlich hilfreicher Racker. Offenbar kannte er sich hier sehr gut aus und war auch gewillt, uns zu unterstützen. Offenbar war die Brücke vor uns sehr gefährlich, was auch mit den zahlreichen Lücken im Boden zusammenhing. Aber der kleine Affe willigte ein, die Lücken zu schließen, damit wir sicher über die Brücke konnten. Am anderen Ende sollten nämlich die Antworten warten, die wir so sehr suchten. Doch machte er es nicht umsonst. Vier ganze Gefallen sollten wir ihm erweisen, die jedoch nicht sofort erfüllt werden mussten. Wir willigten ein, auch da diese Gefallen wie eine gute Sache wirkten.
Mit einem Satz zersprang die Wolke des Affen in zahlreiche Stücke, die dann wiederum die Lücken in der Hängebrücke sicher verschlossen. So konnten wir zum verheißungsvollen Turm gelangen. Die Innenwände des Turms waren mit unzähligen Büchern in Regalen verziert. An den Regalen hingen kuriose Zettel mit Botschaften einer Frau. Offenbar sind ihre Gedanken mit großer Trauer und Verzweiflung gezeichnet und durch Sehnsucht nach ihrem Geliebten geprägt. Ob es sich dabei um... Die Mitte des Raumes war durch ein gewaltiges Planetenmodell gezeichnet. Eine riesige, strahlende Sonne schwebte in der Mitte, welche ihr Licht auf eine Nachbildung von Athalon warf. Doch was sollte es hier?
Wir durchsuchten den gesamten Raum, lasen jede Notiz und drehten jeden Gegenstand um. Doch fanden wir keinen Hinweis. Am Ende blieben nur noch drei Schalter an den Ausgängen des Turms übrig. Stück für Stück benutzten wir sie und erkannten, dass die Hebel jeweils Sonne oder Athalon umpositionieren. Der dritte war jedoch blockiert. Wir stellten unterschiedliche Konstellationen ein und ließen die Sonne über Leändrien und den unbekannten Landen auf- und wieder untergehen. Doch waren wir immer weiter sehr ratlos. Also begannen wir damit, einfach jede Konstellation einzustellen. Dabei versuchte Elicia immer wieder, den dritten Schalter umzulegen. Erst als die Sonne am Aufgehen war, schaffte sie es und löste ein einzelnes Klicken im Mechanismus aus. Erst als wir die Westwind-Inseln unter die Sonne manövrierten, ließ sich der Hebel mit einem zweiten Klicken umlegen. Ein gleißendes Licht entfuhr der Sonne und deutete präzise auf eine Stelle innerhalb der Inselkette. Dort musste es sein! Dort muss der Ort des Rituals sein. Mit meinem Wissen als Schiffskapitän studierte ich die Karte, und tatsächlich konnte ich so den Standort identifizieren. Es war geschafft – wir konnten den Ort finden, an dem schon bald das Ritual stattfinden muss.
Kali und Liam versuchten mehr oder weniger erfolgreich, noch etwas aus den verschiedenen Büchern zu lernen. Nachdem wir uns noch von dem hilfreichen Affen verabschiedet hatten, wechselte sich erneut die Szenerie vor uns. Wir erblickten in der Luft schwebende Inseln, die mit alten Ruinen gesäumt waren. Verbunden waren sie mit steinernen Plattformen, die durch die Luft segelten. Durch den Affen wussten wir, dass wir es rechtzeitig zu einem der zwei dort stehenden Türme schaffen mussten. Also verloren wir keine Zeit. Wir sprangen und rannten über die rieselnden Steine und schafften es nach einer schweißtreibenden Zeit tatsächlich, ohne herunterzufallen, zu jeweils einem der Türme.
Als wir alle wieder beisammen waren, erschien unsere pang’aanische Führerin vor uns. Wir wollten ihr erklären, dass wir erfolgreich waren. Jedoch schien sie uns gar nicht zu verstehen. Vermutlich hat sie nie unsere Sprache gelernt. Doch beherrschen wir ja auch nicht ihre Sprache. Ehe wir uns versahen, eilten wir auf und schraken aus unserem tiefen, schweißtreibenden Schlaf auf. Wir waren zurück in der kleinen, miefigen Hütte auf Cimanca. Offenbar haben wir uns immer wieder erbrochen, doch hat man sich gut um uns gekümmert. Zwei ganze Tage haben wir geschlafen, obwohl es sich nur wie ein paar wenige Stunden angefühlt hat. Bis auf Elicia überwanden wir alle relativ gut die Nachwirkungen, die nach dem Aufwachen auf den Körper einwirkten.
Diese mehr als ungewöhnliche Reise hat ihre Spuren hinterlassen und wird uns sicherlich noch in einigen Jahren zum Nachdenken bewegen. Aber sie hat sich auch gelohnt. Mit Hilfe dieser Reise durch unsere Ängste, Zweifel und Träume haben wir endlich den Ort gefunden, an dem all die Mühen ihr verdientes Ende finden werden. Schon bald werden wir die Segel setzen und den Ort erkunden, damit schon bald der Mahlstrom für immer verschwinden kann.